Von Kseniia Ignatova

Die Schlussszene des Films wird gedreht: Eine Polizistin (Linda Vaher) zielt auf die Kamera und will schießen. Zwei andere Schauspieler*innen (Johanna Meinhard und Jakob D'Aprile) versuchen sie aufzuhalten und erklären ihr, dass die Waffe mit einer echten Kugel geladen ist. Sie glaubt ihnen nicht und will die letzte Szene spielen. Ein Schuss fällt. Das Kamerabild verschwindet. Stille.
 
Dies ist die letzte Szene der Aufführung „Alles in Ordnung“ von Lorenz & D'Aprile im TD. Der Titel, der einer deutschen Satire-Serie über die Polizei entlehnt ist, weist bereits auf die Ironie der Produktion hin. Es ist eine geschickte Mischung aus karikierenden Szenen über die Polizei, Dialogen wie von Quentin Tarantino, „Twin Peaks“-Donuts, einem Krimi-Dreh, dokumentarischem Theater und fehlender Vierter Wand.
 
„Basierend auf wahren Begebenheiten“ wird auf der Projektionsfläche hinter der Bühne eingeblendet. Die Polizei (Linda Vaher, Johanna Meinhard, Jakob D'Aprile) trifft am Tatort ein, inspiziert ein zerbrochenes Barfenster und die weiß umrandete Silhouette einer Leiche auf dem Boden. Alles sieht aus wie in bester Krimi-Tradition: Rauch, verstörende Musik, bewaffnete Polizist*innen und eine Kamerafrau, die die Schauspieler*innen filmt. Dann treten die Schauspieler*innen aus ihren Rollen, stellen sich dem Publikum vor und beginnen, über die Polizei und das Krimikino zu diskutieren. Linda Vaher ist die Polizistin, die Angst vor den Waffen hat, Johanna Meinhard und Jakob D'Aprile sind die beiden Autor*innen, die das Drehbuch für den Film geschrieben haben, dessen Dreharbeiten das Publikum verfolgt.
 
Während der gesamten Aufführung werden die Gespräche der Schauspieler*innen sich mehrmals mit dem Filmmaterial abwechseln: Die beiden Realitäten verflechten sich und verschmelzen in der Schlussszene. Manchmal ist unklar, ob die Schauspieler*innen über sich selbst sprechen oder die Interviews nacherzählen, die sie mit Polizeischüler*innen und Polizist*innen geführt haben. Vielleicht sind Krimi und True Crime zu tief in unseren Köpfen verankert?
 
Der Film, dessen Entstehung das Publikum erlebt, erzählt die Geschichte von drei Polizist*innen, die den Anführer einer kriminellen Bande suchen. Aber sieht die Arbeit der Polizei in der Realität wirklich so aus? Diese Frage stellen sich auch die Schauspieler*innen selbst. Sie fragen sich gegenseitig: Was würdet ihr gerne als Polizist*in erleben? „Verfolgungsjagd!“, antwortet Jakob D‘Aprile, „Prügelei!“, antwortet Linda Vaher.
 
Ihre Wünsche erfüllen sich: Nachdem sie die Wohnung des Bandenchefs durchsucht haben, gehen sie aus, um Lindas Geburtstag zu feiern. Und was wäre ein Polizistengeburtstag ohne Donuts? Linda bekommt einen Teller voll und die Chance, sich mit Jakob zu prügeln – und plötzlich beginnt die Verfolgungsjagd. Das gibt's nur im Kino.
 
Aber warum geht man auf die Polizeischule? Wegen des Krimis, vermutlich. In der ersten Szene sagt Linda: „You don’t want to see us do paperwork“. Und tatsächlich bekunden viele in Interviews, dass sie wegen der Krimis Polizist*in werden wollen.
 
„Alles in Ordnung“ regt dazu an, über die Probleme der Polizei wie die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen und ihr Bild im Film nachzudenken. Krimis bilden nicht die Realität ab, sondern verzerren die Wahrnehmung der Polizist*innen von ihrer Arbeit. Es ist nicht nur ein deutsches Problem, sondern ein globales, das jedes Land betrifft. Lorenz und D'Aprile gehen dieses Problem mit Leichtigkeit und Ironie an, wobei sie im Laufe des Stücks den Grad der Ernsthaftigkeit oft drastisch verändern. Man hat nicht das Gefühl, hinterher von Gedanken oder Emotionen überwältigt zu sein. Aber man fühlt sich definitiv klüger.