Von Sophie Schultz

Wir bewegen uns vorsichtig durch einen weiten, lichtdurchfluteten Raum. Rote Meditationskissen sind hier verteilt. Zu einer musikalischen Mischung aus Ambientklängen und spirituellen Trommelrhythmen beginnt Heike den interaktiven Teil der Performance mit den Worten: „Schließe deine Augen und befühle mit einer Hand deinen Beckenboden und mit der anderen deinen unteren Rücken.“ Durch die Performance zum Menstruationszyklus „Bloody Rhythms“ leiten Heike, Jennie und Finnja die Besucher*innen dazu an, wieder im Einklang mit ihrem Körper und Menstruationszyklus zu sein. Unter einem rein weiblich gelesenen Publikum befindet sich auch ein Quotenmann, der mit ernster Miene seinen Bauch betastet.

Die Performerinnen Heike Kuhlmann, Jennie Zimmermann und Finnja Willner haben sich zu einem Künstlerinnenkollektiv zusammengeschlossen, das sich NERKA nennt und beschäftigen sich mit der Wahrnehmung des Körpers aus einer feministischen Perspektive. Dabei ist laut Programminfo Kuhlmann für die Choreografie, Zimmermann für die Musik und Willner für das Video zuständig. Nur: Ein Video gibt es an diesem Abend nicht zu sehen. Die Zuschauer*innen sollen während der Performance ihre Aufmerksamkeit auf den Beckenboden, das Herz und den Kopf lenken. Aber an welcher körperlichen Erfahrung mangelt es den Besucher*innen eigentlich?

Die interaktive Performance „Bloody Rhythms“ findet in der Somatischen Akademie Berlin statt, die sich im 4. Obergeschoss eines Kreuzberger Hinterhofs versteckt. An der Tür ziehen sich alle Besucher*innen die Schuhe aus und werden an einem Empfangstresen begrüßt, der mich an einen Besuch bei meiner Ärztin erinnert. Unsicher, was mich erwarten wird, nehme ich mit den anderen Besucher*innen unbeholfen auf den kleinen Kissen Platz und muss schnell feststellen, dass diese bequemer aussehen, als sie tatsächlich sind.

Von einem DJ Pult wird die von Jennie komponierte Musik gespielt. Dazu bewegen sich die drei Performerinnen in knallroten Arbeitsoveralls nicht ganz so fließend durch den Raum. Mal ruhen die Hände auf dem Beckenboden, mal berühren sie sich in sanften Bewegungen gegenseitig. Die einzige räumliche Gestaltung ist ein roter Baldachin aus Samt und Tüll, der an einen Uterus erinnert und die Zuschauer*innen zum Verstecken einlädt. Auch Finnja verschwindet kurzerhand in den Tüllbahnen, die sich in krampfenden Zuckungen zu bewegen beginnen. Heike und Jennie tanzen in kreisförmigen Bewegungen um den Uterus herum.

Nach 20 Minuten sollen auch die Besucher*innen an der Performance teilnehmen, um mit dem eigenen Körper in neuen Einklang zu kommen. Nach kurzem Zögern folgen alle der Aufforderung, ein kleines ironisches Schmunzeln kann die ein oder andere sich dennoch nicht verkneifen. Der monatliche Menstruationszyklus begleitet jede Frau für viele Jahre, für manche ist es eine schamvolle Erfahrung, andere zelebrieren voller Stolz die monatliche Blutung und wieder andere möchten sich im warmen Kokon des heimischen Betts ausruhen. Dabei spüren die meisten zwangsläufig ihren Zyklus und Körper – jedoch auf eine sehr individuelle Art und Weise. So bleibt für mich zum Ende der Performance ein Gefühl der Ernüchterung zurück. Wo ist der Raum für diejenigen, die schamhaft ihre Menstruation verstecken müssen? Die von starken Schmerzen geplagt sind, unfähig sich zu bewegen? Denen gesagt wird, ihre Menstruation sei unhygienisch, oder zur bloßen Reproduktion da? Diese Kehrseite findet an diesem Abend leider keine Beachtung.

Nach 50 Minuten Menstruationskrampf werden die Besucher*innen mit dem Wort „Enjoy!“ dazu aufgefordert, sich weiter mit ihren Körpern auseinanderzusetzen. So ist es jedenfalls zu vermuten, denn laut PAF-Programm dauert der Abend zwei Stunden. Die meisten suchen dieses Vergnügen dann doch lieber draußen.