Böse Bilder

what about:fuego befragt in „Kriegsrahmen“ die Grenzen der Fotografie

Von Canan Laura Fedrowitz

Kriegsbilder sind im digitalen Zeitalter allgegenwärtig. Mit einem Klick gehen Fotografien des Grauens viral. Das Leid, die Erschütterung, die Trauer und die Verwüstung, einst von einer Kamera eingefangen, werden nun von what about:fuego in der Performance „Kriegsrahmen“ auf der Bühne zum Leben erweckt, die das PAF als Teil seiner „Introducing...“-Reihe zeigt.

Auf der Bühne, umhüllt von Dunkelheit, entsteht ein betörendes Spiel aus schwarz und weißen Kontrasten, Licht und Schatten sowie Körper und Sounds. Mittendrin Schauspielerin Ignacia González auf allen Vieren, den Kopf gesenkt, während ein heller Scheinwerfer ihre Position beleuchtet. Hinter ihr erstrahlt eine der weißen Boxen mit der Aufschrift „Ayod 1993". Sprecherin Szerafina Schiesser übersetzt mit bewegender Stimme die Worte der Schauspielerin: „Ich bin ein Kind, hinter mir ist ein Geier, vor mir ein Fotograf." Dabei fügt sie ergreifende Informationen über die Auswirkungen des Bildes hinzu, das González nachstellt: ein kleines Mädchen, riesiger Kopf, völlig abgemagerter Körper, Überlebenschance: null. Das Bild stammt von Kevin Carter, der sich nur wenige Monate nach der Fotografie das Leben nahm. what about:fuego stellen die Frage nach den moralischen Grenzen vom Fotojournalismus. Aber auch: Was ist mit dem kleinen Mädchen aus dem Bild passiert?

In „Kriegsrahmen“ nimmt die Gruppe das Publikum mit auf eine kritische Reflexionsreise, die das in den Fotografien festgehaltene Leid und die damit verbundenen Fragen thematisiert: Darf man das abbilden? Muss man es sogar? Sie machen die Bühne zu einem Labor, in dem sie die Fotografien vom menschlichen Leid hinterfragen und körperlich dekonstruieren. Eine Performerin, eine Sprecherin und drei Techniker*innen re-inszenieren 34 bekannte Fotografien von Kriegen und Konflikten der Welt, ohne die Originalbilder zu zeigen. Auf der Bühne befinden sich weiße Boxen, auf denen die Jahreszahl und der Ort der nachgestellten Fotografien chronologischen eingeblendet und auf verschiedene Weise von der Schauspielerin inszeniert werden.

Die pulsierenden Rhythmen des Herzschlags, die hauchenden Atemgeräusche, die spannungsgeladene Musik und die knallenden Schüsse – sie alle steuern die Emotionen als Reaktion auf die Fotografien und erwecken gleichzeitig die Bilder zum Leben. Klänge und Licht sind perfekt auf die Performance abgestimmt, während die Schatten auf der weißen Leinwand in Kombination mit den Klängen dem Stück eine zusätzliche Dimension verleihen. Mit minimalen Bewegungen nutzt González ihren Körper und verschmilzt überzeugend Klang, Licht und Schiessers Stimme, die den Kontext der Fotografien auf ergreifende Weise übersetzt.

„Dies ist mein Körper, der versucht, einen anderen Körper nachzubilden", betont González und entkoppelt damit die aufgeladene Spannung über die Darstellung von so viel echtem Leid. Ihre Bewegungen sind sinnlich, aber zugleich scheint sie distanziert zu sein und lassen Raum für eine nüchterne Betrachtungsweise.

„Kriegsrahmen" fordert das Publikum auf, über die Methoden nachzudenken, die zur Entstehung der Ikonografie des Krieges führen, und darüber, wie soziale Konflikte dargestellt werden. Mit gezieltem Verzicht auf die Originalfotografien bleibt die Interpretation den Zuschauenden überlassen. Dadurch entsteht ein Spannungsfeld zwischen der unmittelbaren Erfahrung des Leidens anderer und der vermittelnden Rolle der Fotografie. Der Abend präsentiert Folter, Genozide, Trauer, Hunger, Krieg, Blut, Narben und menschliches Leid in einer Art und Weise, die einen unvergesslichen Eindruck hinterlässt. Mit den bewegenden Worten der Schauspielerin lässt sich der Abend zusammenfassen: „All of these pictures left an impression on my body.”